KEINE DATEN FÜR NIEMAND

Am 11. September will das Bündnis „Freiheit statt Angst“ auf die Straße gehen, um zu protestieren – gegen was nochmal genau?  Organisator Nico R., der seinen Nachnamen lieber nicht nennen will, klärt auf. ZITTY. 9. September 2010.

Herr Nico R., gegen wen demonstrieren Sie – Google Street View?

Nein, ich persönlich freue mich darauf den öffentlichen Raum auch virtuell erkunden zu können, sofern KFZ-Kennzeichen und Passanten unkenntlich gemacht wurden.

Wer ist dann der Feind – der Staat?

Wir demonstrieren gegen eine Gesellschaft, die vor lauter Angst und Sicherheitswahn demokratische Freiheiten aufgibt und den dabei entstehenden Überwachungsdruck. Darunter leiden die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Vielfalt unserer Gesellschaft.

Aber der Staat späht uns doch nur halb so dreist aus wie zum Beispiel die Jungs von Facebook?

Unternehmen wie Facebook füllen ihre Datenbanken mit Infos, die ihnen zum größten Teil freiwillig zugesteckt werden. Da kann ich selber entscheiden, ob ich meine Partybilder hochlade. Wenn ich mich aber weigere, den Fragebogen zur kommenden Volkszählung auszufüllen, dann droht mir ein saftiges Bußgeld. Und wenn ich nicht will, dass der Staat mein gesamtes Kommunikationsverhalten speichern lässt, bleibt mir nur die gute alte Briefpost.

Sie sind nicht nur gegen die Volkszählung, sondern auch gegen Toll Collect, Gesundheitskarten, Schüler-ID-Nummern… Klingt, pardon, ein bisschen paranoid.

Mittlerweile weiß niemand mehr genau, von wem er alles registriert, nummeriert oder biometrisch vermessen wird. Das kann schnell zu bösen Überraschungen führen. Beispielsweise wenn man wegen seines Schufa-Scoring-Werts keine Wohnung mehr vermietet bekommt. Und wer in Neukölln lebt, hat dank der Schufa-Bewertung prinzipiell größere Probleme einen Kredit zu bekommen als jemand, der in Wilmersdorf wohnt.

Also keiner soll Daten sammeln, niemand darf sie auswerten – und Computer schaffen wir am besten auch wieder ab?

Wenn mein Recht auf informationelle Selbstbestimmung missachtet wird, ist mir ehrlich gesagt egal, ob das auf Papier oder auf der Festplatte geschieht. Allerdings ermöglicht es die digitale Speicherung tatsächlich weitaus besser, Daten zusammenzuführen oder präzise Persönlichkeitsprofile zu erstellen. Darum müssen elektronische Datenberge mit besonderer Vorsicht behandelt werden.

Einerseits soll der Umgang mit Datenbergen strengstens reguliert werden, andererseits fordert Ihr Bündnis ein komplett „ungefiltertes, unzensiertes“ Internet. Heißt das: freie Fahrt für Rassismus und Kinderpornographie?

Wer Volksverhetzung, Verleumdung etc. betreibt, verstößt bereits gegen geltende Gesetze – online wie offline. Fotos und Videos von missbrauchten Kindern müssen direkt von den Servern gelöscht werden. Geheime Zensurlisten und Netzsperren dagegen lehnen wir ab.

Dieses Gespräch haben wir übrigens digital aufgezeichnet, war Ihnen das überhaupt recht?

Kein Problem. Sie dürfen es gerne speichern, drucken und kopieren und veröffentlichen.

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