EMMA 2.0

Gefeiert & angefeindet: Das feministische Blog „Mädchenmannschaft“ wird fünf Jahre alt. Ein Gespräch mit Magda Albrecht und Nadine Lantzsch. ZITTY. 3. Oktober 2012

Frau Albrecht, Frau Lantzsch, auf Ihrem Blog hängen Sie an viele Wörter ein „_innen“ an, beim Sprechen machen Sie anstelle des Unterstrichs eine kleine Pause. Verbessert man damit die Welt?

Albrecht: Die Pause ist ein Gender Gap. Die Idee ist, dass sich Menschen in ihrer geschlechtlichen Vielfalt wiederfinden. Der Strich lässt Raum für geschlechtliche Performances außerhalb der Mann-Frau-Binarität.
Für den Zuhörer klingt das holprig.

Lantzsch: Das irritiert vielleicht, soll aber auch irritieren. Wir müssen reflektieren, wie wir etwas sprachlich ausdrücken. Wenn wir Frauen meinen, sprechen wir Frauen an. Und wenn wir möglichst viele Menschen ansprechen wollen, nutzen wir den Gender Gap.

Sie sind Studentinnen, Angestellte, Freiberufler, die ihre Freizeit opfern, um im Dienste des Feminismus zu bloggen. Was spornt Sie an?

Albrecht: Wir wollen unsere Themen in die Öffentlichkeit bringen. Aktuelles Beispiel: Wir haben darüber berichtet, dass die deutsche Bahn verbilligte Tickets an Abtreibungsgegner_innen vergibt, damit die zur Demo nach Berlin fahren können. Erst nachdem wir uns fürchterlich darüber aufregten, haben andere Medien berichtet.

Sie haben sich mit den kritischen Texten nicht nur Freunde gemacht, sondern auch viele Feinde. Es gab Morddrohungen. Wie hält man das aus?

Albrecht: Wenn einzelne Autorinnen krasse E-Mails bekommen, dann ziehen wir uns gegenseitig hoch. Oder wenn wir mal wieder einen Shitstorm von den sogenannten Maskulisten erleben, also fanatischen Männerrechtlern. Das ging manchmal mitten in der Nacht los, da kamen Gewaltandrohungen im Minutentakt. Das ist besser geworden, seit wir neue Kommentatoren nicht mehr automatisch freischalten und strenger moderieren.

Warum fühlen sich Menschen von einem feministischen Blog provoziert?

Lantzsch: Besonders viel Gegenwind gibt es, wenn wir über Vergewaltigungsprozesse schreiben. Viele wollen offenbar nicht wahrhaben, dass sexualisierte Gewalt sehr oft ungeahndet bleibt. Da hilft es auch nicht, wenn wir Wissenschaftler_innen interviewen, Zahlen präsentieren, Studien vorstellen. Es gibt einfach viele Leute im Netz, die ihren Hass schon von zuhause mitbringen und die zu viel Zeit haben.

Aber intern sind Sie sich immer einig?

Albrecht: Nein, gar nicht. Da knallen auch Positionen aufeinander. Und nicht alles, was so unter Feminismus läuft, wollen wir auf unserem Blog haben.

Was denn nicht?

Albrecht: So ein neoliberales Abfeiern von „Frauen können heute alles machen“: Stöckelschuhe tragen, Kinder kriegen und einen tollen Job haben. Sowas Plumpes publizieren wir nicht.

Die Piratenpartei hatte anfangs behauptet, geschlechtsspezifische Diskriminierung hinter sich gelassen zu haben. Ist das glaubwürdig?

Albrecht: Wir schreiben selten über Parteien. Und bei der Piratenpartei überlegt man es sich zweimal. Wenn man die kritisiert, dann dauert es keine vier Sekunden, bis die auf dem Blog sind und alles auseinandernehmen, was ihnen nicht gefällt. Das ist megaanstrengend.

Lantzsch: Trotzdem würde ich sagen, dass durch die harsche Kritik, die auf vielen feministischen Blogs in den letzten Jahren zu lesen war, bei den Piraten sehr viel angestoßen wurde. Einige Piraten hätten früher das Wort Feminismus nicht mal in den Mund genommen, heute sind sie bekennende Radikalfeminist_innen.

Sie achten akribisch auf Sprache, arbeiten sich täglich an so düsteren Themen wie Rassismus, Sexismus, Diskriminierung, sexualisierter Gewalt, Vergewaltigungen ab. Wird man da über die Jahre zur Spaßbremse?

Albrecht: Ich würde das mit Ja beantworten. Nicht, weil ich denke, dass alle Feminist_innen spaßbefreit sind, ganz im Gegenteil. Aber wenn man sich mit Gesellschaftskritik auseinandersetzt, stößt man einfach auf so furchtbar ungerechte Sachen. Und man verliert diese naive Grundeinstellung, wie viele schöne Wahlfreiheiten der Kapitalismus uns doch ermöglicht. Auch wenn ich damit jetzt einen antifeministischen Diskurs füttere: Ja, man ist eine Spaßbremse. Aber die Gesellschaft ist auch nicht spaßig.

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