„GENAU SO WOLLEN WIR LEBEN“

Im Juni 2010 begleiteten wir die Straßenmusiker Elias und Louis einen Tag lang durch Hamburg. Jetzt trafen wir sie in einem Waschsalon im Wedding wieder. DAS MAGAZIN. April 2011.

Es ist nur ein Rucksack voll, den Louis zum Waschen mitgebracht hat. Ihre Garderobe ist ziemlich zusammengeschrumpft, als sie neulich aus einer besetzten Wohnung rausgeflogen sind. Auch die Schlafsäcke sind dabei drauf gegangen. „Macht nichts“, sagt Elias ganz philosophisch, „Verlust bedeutet Neuanfang.“ Und Louis ergänzt: „Wenn eine Wohnung weg ist, freut man sich umso mehr über die nächste.“

Ihrem Motto – maximale künstlerische Freiheit durch minimalen Besitz – sind die beiden Musiker weiterhin treu. Und begeistert erzählen sie von ihren Abenteuern: Nach dem Auftritt in Hamburg ging es von Juni bis September kreuz und quer durch die Republik. Guaia Guaia spielte u.a. in Köln, Kassel, Frankfurt, Heidelberg, München, Bochum, Freiburg, Leipzig, Oberammergau, Stuttgart, Dresden, Berlin. Nachdem der MAGAZIN-Artikel erschienen war, wurden sie dabei oft erkannt. „In Marburg hat uns eine Frau sogar Geld in die Hand gedrückt.“ Auch RTL rief damals an, genau wie eine Buchagentur und zwei Filmemacher. Einer davon, Sobo Swobodnik,  dreht jetzt einen Dokumentarfilm über die beiden, Ende 2011 soll der Film fertig sein.

Geschlafen haben Louis und Elias im Sommer meistens bei ihren Fans: „Am Ende des Konzerts haben wir immer gefragt, wer einen Schlafplatz für uns hat.“ Mal durften sie in einer Villa in Düsseldorf logieren, mal kamen sie in Leipzig in einer WG unter. In Oberammergau, wo gerade die Passionsspiele liefen, haben sie bei einem Jünger Jesus‘ übernachtet, in einer Schmiede.

Soweit das Sommermärchen. Der Herbst brachte dagegen einige Turbulenzen. Im Oktober zogen sie in ein verlassenes Bahnwärterhäuschen am Berliner Ostkreuz, „total gemütlich“ und sogar warm. Im November flog Louis zum Familienbesuch nach Afrika, erkrankte dort prompt an Malaria. Zeitgleich kämpfte Elias in Berlin mit einer Lungenentzündung, konnte aber nicht zum Arzt gehen, weil er nicht krankenversichert ist. Als rettender Engel entpuppte sich die Ärztin Jenny De la Torre, die ein Gesundheitszentrum für Obdachlose leitet. Sie sorgte dafür, dass Elias in der Charité medizinisch behandelt wurde.

Im Wärterhäuschen hatte sich derweil auch ein Mann aus Lettland eingefunden, „der sprach kein Wort Deutsch und war ziemlich verzweifelt“. Die beiden versorgten ihn mit Lebensmitteln und kauften ihm schließlich ein Busticket in die Heimat. Kurze Zeit später mussten auch sie ausziehen: Eines Morgens traten Security-Leute die Tür ein. Begleitet wurden sie von Polizisten mit MGs unter Arm – in Berlin war Terroralarm.

Seitdem haben Louis und Elias mehrmals ihren Unterschlupf gewechselt, haben wochenlang in leeren Wohnungen oder Büros gewohnt, gelegentlich auch bei Freunden oder Bekannten. „Geld ist nicht unser Problem“, sagt Louis, „außer für Essen geben wir ja nichts aus.“ Aber die eisigen Temperaturen und die ständigen Wohnungswechsel sind anstrengend. Trotzdem, betont Elias, „genau so wollen wir leben.“ Nicht sesshaft sein – und immerzu inspiriert werden. In den letzten Wochen haben sie über 20 Songs geschrieben, im Mai wird die nächste CD rauskommen.

Und bei den ersten Sonnenstrahlen geht es dann wieder hinaus in die Welt, auf die Straße. Singen.

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