GEFÄLLT MIR NICHT

Eine Diskussion über Facebook im St. Oberholz TAGESSPIEGEL. 14. Februar 2011.

Oh, St. Oberholz. Wenn das die Herren Lobo-Friebe wüssten. Dass hier irgendwann die Nörgler einfallen würden – mitten in diesen als Szenekneipe getarnten Apple-Showroom.

Sascha Adamek ist einer von ihnen. Der Journalist hat ein Buch geschrieben, am Freitagabend stellte er es vor. Der Titel sagt eigentlich alles: „Die Facebook-Falle. Wie das soziale Netzwerk unser Leben verkauft“. Es folgt auf 300 Seiten solide deutsche Recherchearbeit: Adamek hat Juristen und Programmierer befragt, mit Pressesprechern diskutiert, Lobbyisten nachgestellt. Er hat bei Scheinadressen geklingelt, sich durch Kleingedrucktes gekämpft und in Selbstversuche gestürzt. Fazit: Trau, schau, wem.

Ins Oberholz hat Adamek prominente Unterstützer eingeladen, darunter den Datenschützer Thilo Weichert und den Streetview-Aktivisten Jens Best. Trotzdem verläuft das Podiumsgespräch zunächst mäßig erhellend: Facebook hat es auf uns abgesehen, Friends sind gar keine echten Freunde, und neben Adressbüchern werden auch E-Mails gescannt, Profile erstellt, Inhalte zensiert. Andererseits möchte niemand sein Account missen, man fühlt sich wohl beim innovativen Marktführer. „Das ist doch hier nur das übliche Halali“, schimpft irgendwann Jens Best, dabei gehe es um etwas viel Grundsätzlicheres: „Facebook ist eine unfreie Version des Internets!“

Tobias Leingruber sieht das ähnlich. Der 26-Jährige ist Kommunikationsdesigner und Webkünstler, auf der diesjährigen Transmediale hat er einen „Facebook Resistance“-Workshop angeboten (www.fbresistance.com). „Facebook will unser komplettes Identitätsmanagement übernehmen“, sagt Leingruber. Und zwar auf sehr autoritäre Art. Das fange schon beim Design an: Das Netzwerk zwängt alle in die gleiche Schablone, bestimmt die Spielregeln der Selbstdarstellung und der Interaktion.

Auch Leingruber schreibt dagegen an, nicht mit Büchern, sondern mit Codes. Zusammen mit der Künstlergruppe Free Art & Technology (F.A.T.) rückt er den Global Playern mit kleinen Programmen auf den Leib. Die Projekte wirken auf den ersten Blick harmlos und verspielt, haben aber durchaus eine politische Botschaft: „Hands-on Code“ – nehmt die Programmierung wieder selbst in die Hand! Beispiel „Gefällt mir“-Daumen: Facebook erlaubt nur Zustimmung, „aber das passt gar nicht zur deutschen Mentalität.“ Deshalb gibt es in Leingrubers Facebook-Version neuerdings auch einen „Gefällt mir nicht“-Button.

Es wird vielleicht nur ein kurzer Spaß. Denn wenn es nach Thilo Weichert geht, gibt es den Daumen in Deutschland sowieso nicht mehr lang. Der Grund: Alle Webseiten, die die „Gefällt mir“-Funktion einbetten, ermöglichen Facebook das Platzieren von Cookies und das Auslesen von Surfverhalten – und zwar bei allen Besuchern der Seite. Mit deutschem Datenschutz ist das nicht vereinbar.

Im Publikum meldet sich jetzt ein junger Mann. Ob dann auch die Bloggerszene Abmahnungen fürchten müsse. Weichert wird unwirsch: „Entschuldigung, aber wenn man so doof ist, die eigene Traffic freiwillig an Facebook auszuliefern…“ Der Blogger setzt sich kleinlaut wieder hin. Das hat man davon, wenn man sich den Feind ins Haus holt.

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